Waldexkursion „Der Klimawandel vor unserer Haustüre“

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Bericht über die HV-Waldexkursion nach Straelen zum Thema „Der Klimawandel vor unserer Haustüre“ am 15.Juli 2024

Leitung: Markus Becker 

Markus Becker stellte sich uns vor als Waldbesitzer und Biologe. Seine Vorfahren haben diesen Wald mit der Pflanzung von Eichen begründet. Gleichzeitig beinhaltet er auf relativ kleinem Raum mehrere Bodendenkmäler¹. Es folgte eine sehr aufschlussreiche und didaktisch gelungene Führung, von der nur eine grobe Zusammenfassung gegeben werden kann.

Folgen des Klimawandels für den Wald

Aufgrund der Attributionsforschung kann heute sehr schnell berechnet werden, ob und mit welcher Wahrscheinlichkeit Extremwetterereignisse auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen sind. Die meisten Bäume hängen vom Niederschlagswasser ab und Grundwasseranschluss ist eher die Ausnahme. So sind z.B. die ausgewachsenen Sandbirken in den letzten Dürresommern auf trockeneren Standorten großflächig abgestorben, während Moorbirken in einem sumpfigen Teil mit Grundwasseranschluss überlebt haben. Viele Stieleichen zeigen aufgelichtete Kronen, Wasserreiser und Abgänge. 

Die Rotbuchen überleben am besten am Rand eines Grabens (von der Schlacht 1468), wo nachweislich Grundwasser ansteht (Bild 1). Hier können ihre Wurzeln entlang der Hänge dem Grundwasser in der Sole entgegenwachsen. Dort wo Buchen dagegen in große Tiefe vordringen müssen, um auf Grundwasser zu stoßen, wird die Sauerstoffknappheit für die Wurzeln zum Problem. Diese Situation herrscht im überwiegenden Teil des Waldes und erklärt, warum so viele Buchen in den Dürrejahren verdurstet sind.

Aus der Gruppe kam die Frage nach den Zukunftsbäumen. Das ist nicht so einfach zu beantworten, auch weil man eine waldbauliche oder naturschützerische Perspektive einnehmen kann. Auf einer Fläche mit abgestorbenen Sandbirken wachsen baumgroße nordamerikanische Spätblühende Traubenkirschen (Prunus serotina), leider nicht mit starken, geraden Stämmen wie in ihrer Heimat, sondern eher unregelmäßig. Eine Lichtung, die durch Borkenkäferbefall der Fichten entstanden ist, wird spontan von ihr und einer weiteren nordamerikanischen Art bewachsen, der Roteiche, aber auch von mediterranen Bäumen, der Walnuss und der Esskastanie. Nur eine Stieleiche und Rotbuche wurden gesehen. Gerade für letztere haben wir eine besondere Verantwortung, da 70% ihrer Bestände in Deutschland vorkommen. Außerdem wird ihr Aufkommen durch Wildverbiss beeinträchtigt. Einheimische Pionierarten wie Vogelbeere und Sandbirken kommen ebenfalls hoch. Junge Birken überstehen Dürren besser, weil die Wasserfäden in ihrem Transportsystem nicht so schnell abreißen. Sie haben auch eine gewisse Perspektive, die Fichte als Holzbaum zu ersetzen. Mit dieser Mischung scheint sich für diese Gegend der Wald der Zukunft zu entwickeln. Was zunächst romantisch erscheint, symbolisiert doch die Konkurrenz zwischen Rotbuche und Roteiche (Bild 2).

Der Klimawandel verlängert die Vegetationsperiode, die beginnt ca. 2 Wochen früher und endet 1 Woche später. Man sollte meinen, dass sich dies positiv auf die Bäume auswirkt, aber es stellt sich bei unseren heimischen Baumarten eher ein Erschöpfungssyndrom ein, da sie auf eine längere Winterruhe eingestellt sind. Dazu gehört auch, dass die Abstände zwischen den Mastjahren mit vermehrter Fruchtbildung immer kürzer werden.

Die höheren Temperaturen bewirken eine höhere Anfälligkeit gegenüber neuen Krankheitsbildern. Gezeigt und erklärt wurden:

  • Eichenprozessionsspinner
  • Eschentriebsterben
  • Fruchtfliegen an Walnüssen
  • Russrindenpilz an Bergahorn
  • Eichenkomplexerkrankung
  • Borkenkäferbefall bei Fichten

Die Temperaturerhöhung in der Atmosphäre führt zu stärkeren Stürmen, die sogar die Eichen umlegen (Bild 3).

Die milderen Winter fördern immergrüne Arten, z. B. Ilex, Eibe und Efeu, der häufig als Baumschädling angesehen wird. Er tötet aber idR die Bäume nicht, da er keine horizontale Triebe bildet, die den Trägerbaum erwürgen könnten und er meist auch seine äußeren Äste frei lässt und somit nicht in Konkurrenz zum Blattwerk tritt. Es gibt sogar Studien die zeigen, dass mit Efeu bewachsenen Eichen mehr Zuwachs haben. Möglicherweise liegt es daran, dass im Efeu gerne Vögel nisten, die vor allem im Frühjahr die Raupen fressen, welche den Eichen oft schwer zu schaffen machen². (Bild 4)

Stickstoffeintrag

Nicht nur die menschengemachte Klimakrise bedroht den Wald, sondern auch der starke anthropogene Stickstoffeintrag über die Luft und den Regen. Das Nitrat verbindet sich mit sogenannten basischen Kationen (Kalzium, Kalium und Magnesium) und führt zu deren Auswaschung aus dem Boden. Für die Bäume bedeutet es einen Überschuss an Stickstoff, einer Versauerung der Böden und einen Mangel an diesen basischen Kationen. Ältere Bürger aus Straelen erzählen, dass sie früher als Kinder um diese Jahreszeit in den Wald geschickt wurden, um Blaubeeren zu sammeln. Wir standen vor einem der kümmerlichen Reste, denn den Stickstoffeintrag verträgt die Blaubeere nicht so gut, fördert aber die N-liebenden Pflanzen wie die Brombeeren. Die Brombeeren verhindern durch ihren dichten Bewuchs oftmals jahrzehntelang die natürliche Wiederbewaldung nachdem Bäume durch ein Sturmereignis oder eine Borkenkäferkalamität abgestorben sind.

Bodendenkmäler

Für Historischen Verein ging Herr Becker auf die in erstaunlicher Dichte vorliegenden Bodendenkmäler ein:

  • alte Trasse der Köln-Mindener Bahn
  • ehemaliger Schützengraben und Mannschaftsunterstände aus dem 2. Weltkrieg
  • Landwehr zwischen Straelener Veen und Niersaue
  • Wälle und Gräben aus der Schlacht von 1468

Leider sind auch diese Schätze gefährdet, wie z.B. durch Hundebuddelei (Bild 5). 

Danksagung

Nur erwähnt werden soll, dass Herr Becker auch über invasive Arten informierte und diskutierte. Wir danken ihm, dass er uns in Sachen Waldentwicklung auf den neuesten Stand gebracht hat ³.

Auch Frau Meuskens gebührt Dank für die Anregung und Organisation. 

Anmerkungen:

Auf Anfrage bei Markus Becker erhältlich (becker@bactiva.de):

1) Ein Audioguide zu den Bodendenkmälern des Waldes („Winklers Allee“)

2) Eine Publikation des BUND zur Schutzwürdigkeit von Efeu in unseren heimischen Wäldern

3) Ein weiterführender Artikel zur Führung im Holz-Zentralblatt

Günter Abels 

gueabels@fastmail.fm